Johannes Greber – 7.1 Das Medium Kluski in Warschau (2)

Text Quelle : vom Medium Peter Bernath persönlich zum Mitveröffentlichung 

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Dritter Teil : 7.1 (2)

Zu der eben erwähnten Kategorie der Phantome gehört auch die seltsame Erscheinung eines Wesens, das die Zirkelteilnehmer als den Pithecanthropos bezeichnen. Er ist nämlich ein häufiger Gast der Kluskischen Sitzungen. Da er nur bei vollkommener Dunkelheit erscheint, ist es schwer, ihn näher zu untersuchen. Er hat das Aussehen eines behaarten Mannes oder eines großen Affen. Sein Gesicht ist behaart, seine Stirn ziemlich hoch; er hat lange, starke Arme und benimmt sich sehr rauh und stürmisch gegen die Sitzungsteilnehmer. Er versucht ihre Hände oder Gesichter zu streicheln, und meistens macht er dadurch der Sitzung ein Ende, oder die Teilnehmer werden dazu gezwungen, weil man ihn nicht kontrollieren kann. Ich sah oder vielmehr fühlte ihn nur einmal, als er sich an mir rieb. Ich nahm dabei einen ganz seltsamen Geruch wahr, den ich im Augenblick nicht definieren konnte, den mir aber einige andere, mit dem Phantom mehr vertraute Sitzungsteilnehmer als den eines nassen Hundes bezeichneten. Bei dieser Gelegenheit ging er hinter mir vorbei und zu der Dame neben mir, welche die Hand des Mediums hielt. Er durchbrach die Kette und unterbrach damit die Sitzung, daß er die Hand der Dame ergriff und sie gegen sein Gesicht rieb. Dies erschreckte die Dame so sehr, daß sie laut aufschrie.

Viele Erscheinungen haben leuchtende Hände, das heißt, die Innenfläche ist leuchtend. Das weiße, leicht grünliche Licht ist so stark, daß, wenn die Phantome die Hände über Kopf und Gesicht oder Gestalt halten oder gleiten lassen, jede Einzelheit so deutlich erkennbar ist, wie wenn man Leuchtplatten verwendet. So beleuchten sie sich selbst, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, sie genau betrachten zu können. Sie richten aber auch ihre leuchtenden Hände, vielmehr Handflächen gegen die Teilnehmer, so daß diese selbst beleuchtet sind und von ihnen betrachtet zu werden scheinen. Bei einer solchen Gelegenheit  konnte ich deutlich wahrnehmen, daß das Licht nicht vollkommen gleich beständig war, sondern immer vibrierend die verschiedenste Lichtstärke zeigte, obschon die Beleuchtung der ganzen Handfläche immer die gleiche blieb. Ich konnte auch glänzendere Funken oder Strahlen sehen, die im Zickzack oder auf verschiedenen Bahnen von der Handwurzel zu den Fingerspitzen fluktuierten. Zugleich entströmte den leuchtenden Handflächen starker Ozongeruch.

Eine der seltensten, wohl aber eine der höchsten Typen ist das Phantom eines alten Mannes, das vollkommen selbst leuchtet. – Ich habe es nur zweimal gesehen. Die Erscheinung gleicht einer Leuchtsäule. Man sieht sie, wie ich hörte, oft im Kluski-Zirkel. Das von ihr ausgehende Licht ist so intensiv, daß nicht nur alle Sitzungsteilnehmer, sondern auch alle, sowohl nahe als auch entfernte Gegenstände, im Sitzungsraum beleuchtet wurden. Die Innenseite der Hände und die Herzgegend waren, als ich die Erscheinung selbst sah, stärker leuchtend als die anderen Körperstellen. Das Phantom tauchte ziemlich entfernt von uns in  der Mitte des Zimmers auf. Der Tisch, um den wir saßen, stand in einer Ecke des Raumes, und das Medium saß ganz genau in der Ecke selbst. Der alte Mann trug eine hohe, konische Kopfbedeckung und war mit einem langen Gewand bekleidet, das in tiefen Falten an ihm herabhing. Er kam mit majestätischen Schritten auf uns zu, und sein Gewand bewegte sich beim Schreiten. Mit den Händen machte er triangulären Figuren gleichende Bewegungen. Zugleich sprach er mit tiefer, feierlicher Stimme. Er blieb ungefähr zehn Sekunden hinter meinem Rücken stehen, bewegte die leuchtenden Hände über uns und sprach unausgesetzt. Dann zog er sich tiefer in das Zimmer zurück und verschwand. Mit ihm kam eine große Welle ozonhaltiger Luft, so daß der Raum noch lange nach Schluß der Sitzung davon erfüllt war. Das Phantom ist ein sehr alter Mann mit einem grauen Bart. Seine Sprache war ziemlich guttural und für uns alle unverständlich, obwohl die Zirkelteilnehmer wohl an zwölf verschiedene Sprachen beherrschten. Diese Sprache konnte aber bisher noch von niemand festgestellt werden, ebensowenig wie man bis jetzt herausbringen konnte, wer das Phantom ist. Im Zirkel wird er der ‚assyrische Priester‘ genannt, was ganz zu der äußeren Erscheinung paßt.

Von den Phantomen wurden Paraffinformen gemacht. Sobald sie den mit flüssigem Paraffin gefüllten Eisentopf auf dem Tische wahrnehmen, gingen sie mit sichtlichem Vergnügen daran und machten auf Wunsch Formen von ganz speziellen und komplizierten Stellungen. Sie tauchten ihre Hände in das Paraffin und ließen die handschuhartigen Formen auf den Tisch fallen. Wenn die Phantomhand selbstleuchtend ist, so sieht man sie im flüssigen Paraffin plätschern, wie ein Goldfisch im Aquarium. Die Handschuhe werden ziemlich unsorgfältig von den Phantomen abgelegt. Bei einer Gelegenheit fiel ein Paar davon vom Tisch herab auf meinen Schoß und von da zu Boden. Ich machte die anderen Teilnehmer darauf aufmerksam und bat sie, ihre Füße nicht zu bewegen, damit die Formen nicht beschädigt würden. Ein Teilnehmer bat das Phantom, die Formen zu holen und auf den Tisch zu legen, was sofort geschah. Dabei wurde mein Fußknöchel fest angefaßt und mein Bein beiseite geschoben, damit mehr Platz würde unter dem Tische, wo sich 14 Beine befanden. Das Phantom brauchte eine halbe bis eine dreiviertel Minute zur Herstellung einer Form. Als ich versuchte, dies selbst zu machen, dauerte es mehrere Minuten, bis das Paraffin so weit abgekühlt war, und auch dann war es unmöglich, den Handschuh, ohne ihn zu zerbrechen, von der Hand zu streifen; ja, ich konnte es nicht einmal mit einem einzigen Finger, der bis zum zweiten Gliede in Paraffin getaucht war, fertigbringen.

Als ich das Paraffin von dem Gipsabguß durch Eintauchen in heißes Wasser ablöste, bemerkte ich eine Anzahl von Haaren, die im Wasser schwammen. Es waren gewöhnliche Haare, von der Art, wie sie auf Handrücken und dritten Fingergliedern vorkommen. Da ich vollkommen sicher war, ganz reines Wasser und eine weiße Porzellanschüssel beim Versuch verwendet zu haben, war ich durch diese Entdeckung sehr überrascht. Ich betrachtete also nochmals die bisher gemachten Abgüsse und bemerkte bei einem davon durch die dünne Paraffinschicht einige Haare oder Haarflaume, die sich im Paraffin befanden.

Ich erlebte in dieser Sache einen besonders bemerkenswerten Fall. Bei einem Abguß sind die Finger zur Faust geballt, und der Daumen schaut zwischen dem Zeige- und Mittelfinger hervor. Bei dem hier in Betracht kommenden Versuch wurde das Phantom gebeten, etwas ganz Kompliziertes, Eigenartiges und schwierig Nachzuahmendes zu zeigen. Man ließ der Erscheinung jedoch ganz frei, zu machen, was sie wolle. Sie schien eine Weile nachzudenken, um etwas ganz besonders Geeignetes zu finden. Sie tauchte dann die ausgestreckte Hand in das Paraffin und faltete erst dann die Finger. Bevor ich diese Form mit Gips ausfüllte, konnte ich im Inneren mehrere unregelmäßig geformte Paraffinteile sehen, die sich in der Höhlung des Handschuhes der Innenseite ausbreiteten und gewisse Punkte stützten. Sie entsprachen den gekrümmten Vertiefungen zwischen den Fingern.

(siehe Bilder unten)

Ich sah nur wenige Apporte von kleinen Gegenständen. Es wurde mir aber gesagt, daß auch ziemlich schwere Gegenstände aus entfernten Räumen ins Sitzungszimmer gebracht worden seien. Das seltsamste Phänomen dieser Art war, als Kluski selbst aus dem verschlossenen und versiegelten Sitzungsraum verschwand. Die erstaunten Zirkelteilnehmer fanden ihn in einem ziemlich entfernten Raume der Wohnung ruhig schlafend.

Ich stellte ein beträchtliches Sinken der Temperatur im Sitzungszimmer fest. Ich und andere Sitzungsteilnehmer fühlten deutliche Kälteschauer gegen Ende der ein, eineinhalb bis zwei Stunden dauernden Sitzungen. Die im Raume befindlichen Thermometer zeigten gegen Ende der Sitzungen ein Sinken von sechs bis acht Zentigraden der Temperatur an. Dies geht gegen die gewöhnliche Erfahrung, da die Temperatur in einem Raume, der noch dazu gänzlich verschlossen ist und in dem sich sieben Personen längere Zeit aufhalten, gewöhnlich steigt, zumal der in Frage kommende Raum nur mäßig groß war.

Beim Erscheinen der Phantome sah ich etwas wie einen leuchtenden Rauch oder Nebel, der über dem Kopfe des Mediums wie eine kleine Wolke lag. Die Wolke ging seitwärts, und in wenigen Sekunden wurde daraus ein menschlicher Kopf. Oder sie breitete sich senkrecht aus, und es wurde aus ihr eine ganze menschliche Erscheinung, die sofort anfing, herumzugehen.

Das Überraschendste und Interessanteste an den Erscheinungen, sozusagen das Wichtigste für mich daran war das vollkommen menschliche Betragen derselben. Sie benahmen sich wie Teilnehmer an einer Gesellschaft. Bei ihrem Rundgang um den Tisch begrüßten sie die mehr familiären Teilnehmer mit einem Lächeln des Erkennens, währen sie neue Personen aufmerksam betrachteten. Der neugierige Ausdruck in ihren Augen ist schwer zu beschreiben. Ich konnte aus ihren Bemühungen, unsere Blicke, unser Lächeln, unsere Fragen und Antworten zu verstehen und aus ihren Handlungen entnehmen, das es ihnen sehr darum zu tun war, uns davon zu überzeugen, daß sie wirkliche Wesenheiten und keine Illusionen oder Halluzinationen sind.

Auch sind die Erscheinungen nicht immer normaler Größe. Gegen Ende der Sitzung, wenn das Medium bis zu einem gewissen Grade erschöpft ist oder wenn es schon vor der Sitzung weniger gut disponiert war, haben die Phantome nicht die volle Größe, sondern nur zwei Drittel oder nur die Hälfte davon. Als ich einmal ein solches Phantom das erstemal sah, glaubte ich, es sei ein Kind; aber bei näherer Betrachtung sah ich an dem faltenreichen Gesicht, daß es eine alte Frau oder ein alter Mann war, nur unter Normalgröße. Der Zirkelleiter pflegte dann zu sagen: ‚Wir wollen dem Medium helfen.‘ Er fing dann an, im Takt zu klopfen, wobei alle Teilnehmer tief und gleichmäßig atmeten. Die Wirkung war wunderbar. Die verkleinerte Phantomgestalt wuchs und erreichte in wenigen Sekunden ihre volle Größe.

Die bei Kluski sich zeigenden Phantome gehören verschiedenen Nationen an und sprechen gewöhnlich ihre Muttersprache. Dessen ungeachtet verstehen sie die in jeder Sprache an sie gerichteten Worte sehr gut. Sie scheinen die Gabe zu haben, in den Seelen anderer zu lesen. Denn es ist nicht nötig, einen Wunsch oder eine bestimmte Frage auszusprechen. Der Gedanke allein genügt schon, um ausgeführt zu werden. Man braucht nur zu denken, daß das Phantom dies oder jenes tun soll, so wird es ausgeführt oder die Ausführung verweigert. In der Tat, einige von ihnen weigern sich manchmal, gewisse Dinge zu tun, oder sie erklären, daß sie es gar nicht machen können oder nicht zu dieser Stunde, oder sie versprechen, es bei einer anderen Gelegenheit zu tun oder es zu versuchen.

Nicht alle Erscheinungen können sprechen. Viele ziehen es vor, sich durch Klopfen zu verständigen, was sehr langweilig und zeitraubend ist, weil man immer mit dem Alphabet von vorne buchstabieren muß. Die Stimmen sind vollkommen deutlich und von normaler Tonstärke. Sie hören sich an wie ein lautes Flüstern. Der beim Sprechen die Gesichter belebende Ausdruck ist sehr überzeugend. Bei einer Gelegenheit konnte ich deutlich den Ausdruck der Erwartung im Gesicht der Erscheinung eines Türken wahrnehmen, der sich vor mir verneigte und sagte: ‚Chokyash Lehistan.‘ Als er bemerkte, daß ich ihn nicht verstand, wiederholte er freundlich lächelnd dieselben Worte. Nicht wissend, was er wollte, aber aus einem Sympathiegefühl für seine ritterliche Nation heraus sagte ich zu ihm: ‚Vive la Turquie!‘ (Es lebe die Türkei). Man konnte deutlich sehen, wie erfreut er darüber war. Er lächelte, seine Augen strahlten, er kreuzte die Arme, verbeugte sich und verschwand. Ich notierte mir seine Worte in den vernommenen Lauten auf meinem Notizblock. Am nächsten Tag ließ ich sie mir von einem Sprachenkenner übersetzen und fand, daß es heißt: ‚Es lebe Polen!'“


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